Michael Omann und Marion Kanalz, Foto credit Martin Hofmann

Anlässlich des Get active Award Finale am 17.11.2023, haben wir Marion Kanalz und Michael Omann, die Gewinner*innen des GASBA 2022, zum Interview gebeten. Die beiden Gründer*innen sprechen über die movevo4kids Webapp, was sie an ihrem Job inspiriert und welchen Ratschlag sie den diesjährigen Finalist*innen auf den Weg mitgeben. 

Wie ist die Idee und das Konzept für movevo4kids entstanden?

Marion: Die Idee zu movevo4kids ist im ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 entstanden. Michael ist Sportwissenschaftler und betrieb zu diesem Zeitpunkt bereits ein Webportal mit Trainingsvideos für Erwachsene. Im Lockdown und Home-Schooling standen die Turnlehrer*innen vor der Herausforderung, die Kinder weiterhin in Bewegung zu halten. Zu diesem Zeitpunkt war die Digitalisierung nur bei wenigen Lehrer*innen angekommen, und uns erreichten viele Anfragen von befreundeten Pädagog*innen, ob sie nicht das MOVEVO Portal nutzen könnten. Wir stimmten zu, und so blieb der Turnunterricht auch in dieser Zeit zumindest in einigen Schulen weiter bestehen. Wir wussten allerdings, dass die Übungsvideos in keiner Weise auf Kinder ausgerichtet waren, und so begannen wir gemeinsam mit den Pädagog*innen erste Überlegungen, wie eine kindgerechte Lösung aussehen könnte. Es stellte sich heraus, dass insbesondere in der Volksschule die Situation für die Pädagog*innen besonders belastend ist. Es herrscht hoher Vorbereitungsdruck, und eine Person deckt nahezu alle Fächer ab. Im Juni erreichte uns dann die Ausschreibung der Stiftung motion4kids. Wir reichten unser Konzept ein und landeten sofort bei den Gewinnerprojekten. So ging es los.

Was steckt hinter dem Namen movevo?

Michael: MOVEVO setzt sich aus move für Bewegung und evo für Evolution zusammen und steht für Bewegung im Sinne der Evolution. Im Laufe der menschlichen Evolution, also über die letzten 2 Millionen Jahre, haben wir uns stets viel und vor allem auch vielseitig bewegt. Als Jäger und Sammler haben wir täglich über 15 Kilometer zurückgelegt. Wir sind gelaufen, gesprungen, geklettert, gekrabbelt und vieles mehr. All das hat unsere Anatomie und Physiologie geformt. Bewegung liegt in unserer DNA und hat maßgeblich zu unserer Gehirnentwicklung beigetragen und tut es immer noch. Oftmals wird Bewegung heute als Medikament betrachtet, um gesund zu bleiben oder zu werden. Wir sehen das ganz anders. Fehlt die Bewegung, entsprechen wir nicht unserem Naturell, dann ist Krankheit ganz egal, ob physisch oder psychisch, die logische Folge. Dafür gibt es mittlerweile viele Belege, und wir wissen aus der Evolutionsbiologie auch, dass Stresshormone immer über Bewegung abgebaut wurden. Körper und Geist bilden eine untrennbare Einheit, und je früher wir ein Bewusstsein dafür ausbilden, desto eher wird es selbstverständlich. Daher ist uns die Bewegung und die Körperwahrnehmung besonders im Kindesalter so wichtig.

Held*innen Movevo und Moveva

Was hat sich bei euch seit dem GASBA 2022 getan?

Marion: Ganz schön viel. Wir haben im Schuljahr 2022/23 die Pilotphase an 20 Kärntner Schulen erfolgreich abgeschlossen. Die Kinder und Pädagog*innen sind begeistert, und das Feedback konnten wir gut für die Weiterentwicklung nutzen. Auch die Befragungen der begleitenden Evaluierung der WU Wien sind bereits abgeschlossen und wir warten hier noch auf die finalen Ergebnisse. Es wurde eine zweite Storyline mit 6 neuen Welten und 40 neuen Aufgaben geschaffen. In der zweiten Storyline erkunden die Kinder exotische Bewegungswelten wie die Lavawelt oder den Dschungel. Einen wichtigen Meilenstein erreichten wir mit der Integration von movevo4kids in das österreichweite Pilotprojekt Tägliche Bewegungseinheit. Wir haben 130 Pakete gepackt mit Plakaten, Stickern und Anleitungen und versendet. Über dieses Projekt erreichen wir im Schuljahr 2023/24 15.000 Kinder in 130 Schulen, die movevo4kids kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Ohne den GASBA wäre dieser Schritt nie möglich gewesen. Zusätzlich konnten wir unsere movevo4kids Home Edition fertigstellen. Das Kartenspiel vereint die digitale und analoge Welt und bringt Bewegungsspaß für die ganze Familie. Gestartet als Goodie für unsere Crowdfundingkampagne ist sie ideal als Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk. Eine Bestellung ging sogar schon aus Luxemburg ein. Aufgrund der manchmal fehlenden digitalen Affinität bei älteren Pädagog*innen waren einige Schulleiter*innen zunächst ein wenig skeptisch, doch es zeigte sich, dass movevo4kids durch eine schnelle, einfache und praktikable Umsetzung besticht.

Klasse der Volksschule Lesachtal

Bewegung kommt im Schulalltag leider oft zu kurz. Habt ihr Tipps für Volksschullehrer*innen, wie sie mit dieser Herausforderung umgehen können, gerade für jene, die keine besonderen sportlichen Vorkenntnisse haben?

Michael: Genau deshalb haben wir movevo4kids entwickelt. Oft gibt es nur 2 Turnstunden pro Woche, und wenn man Umkleidezeiten und Stehzeiten berücksichtigt, bleiben im Durchschnitt nur 7 Nettobewegungsminuten pro Turnstunde übrig. Lehrer*innen, die nicht selbst aus dem Bewegungsbereich kommen, fehlen oft Ideen, was alles gemacht werden kann, und selbst kurze Einheiten müssen langwierig vorbereitet werden. Genau hier möchten wir entlasten und gerade jenen, die keine Übungen selbst vorzeigen wollen oder können, eine wissenschaftlich fundierte Toolbox bieten, auf die sie vertrauen können.

Wie kann man sich den Ablauf einer Bewegungseinheit in einer Schulklasse vorstellen?

Marion: Die Umsetzung ist ganz einfach. Viele Volksschulklassen sind bereits mit Laptop und Beamer oder Smartboards ausgestattet. Wenn der oder die Pädagog*in merkt, dass die Kinder eine Pause benötigen, wird im MOVEVO Webportal die nächste Bewegungsaufgabe gestartet. In einem kurzen Video wird die Übung von Kindern für Kinder vorgezeigt und erklärt, und schon geht's los. Alle Aufgaben sind so gestaltet, dass sie ganz unkompliziert im Klassenzimmer und ohne großen Material- und Platzaufwand durchgeführt werden können. Es gibt Aufgaben, die die Kinder zur Ruhe bringen oder auch mal austoben lassen. In der Regel dauern die Aufgaben 5 bis 10 Minuten, manchmal kann es aber schon passieren, dass die Kinder nicht mehr aufhören möchten – sogar, wenn es Übungen mit Mathematikaufgaben sind. Nach der erfolgreichen Absolvierung gibt es einen Sticker für das movevo4kids Plakat. Wenn alle Aufgaben geschafft sind, ist auch das Plakat vollständig, und es ergibt sich ein schönes Bild. Das macht den Kindern besonders viel Spaß.

Die App bietet verschiedene Themenwelten für die Bewegungseinheiten: Fördert das das inhaltübergreifende Lernen?

Michael: Die kindgerechten und spannend aufbereiteten Welten sollen die Lust wecken, selbst wieder zur Entdecker*in zu werden und die Natur auch in der Freizeit zu erkunden. Bewegung hat das Potenzial viele Kompetenzen nebenbei mitzuschulen: Körperwahrnehmung, Selbstwirksamkeit und natürlich soziale Kompetenzen. Viele Aufgaben sind so gestaltet, dass nur gemeinsam eine Lösung gefunden werden kann und Kooperation gefördert wird. All das sind keine Schulfächer, aber wichtige Kompetenzen für die Persönlichkeitsentwicklung. Zusätzlich liefern wir auch viele Ideen für fächerübergreifenden Unterricht. Bewegung lässt sich ideal mit den Fächern Musik, Mathematik und Deutsch verbinden. Da gibt es das Lauf-Diktat oder Schlangenrechnen, da möchten die Kinder gar nicht mehr aufhören zu rechnen.

Wo kann man sich als Volksschule melden, wenn man movevo4kids testen möchte?

Marion: Auf unserer Website können sich interessierte Pädagoginnen einen kostenlosen Test anfordern. Es melden sich immer wieder einzelne engagierte Pädagoginnen bei uns, denen aber der Rückhalt der Schulleitung fehlt. Hier haben wir nun eine Lösung gefunden, um auch einzelne Klassen in den Genuss von movevo4kids kommen zu lassen.

Was inspiriert euch an eurem Beruf? Gibt es besondere Ereignisse/Erlebnisse, die euch motivieren?

Michael: Bewegung ist unsere große Leidenschaft. Sport und Bewegung haben uns so viel ermöglicht. Wir durften die Welt bereisen, fremde Bewegungskulturen kennenlernen und extrem spannende Erfolgsgeschichten begleiten. Bewegung kann ein wahres Lebenselixier sein und die Lebensqualität maßgeblich erhöhen. Bewegung schafft positive Emotionen und verbindet Menschen. Diese Emotionen zu kreieren und Menschen dabei zu ermutigen, dafür brennen wir. Ich war 5 Jahre Sportwissenschaftlicher Leiter in einem international ausgerichteten Gesundheitszentrum in Altaussee. Ich werde es nie vergessen, als mir ein 92-jähriger Stammgast, der täglich mit mir seine Übungen machte, erzählte, dass er nach Italien ziehen möchte, um den Vesuv zu besteigen und eine neue Sprache zu lernen. So kann ich mir das Älterwerden durchaus vorstellen, doch damit das gelingt, braucht es ein entsprechendes Fundament, und dieses wird in den goldenen Lernjahren von 3 bis 12 Jahren gelegt. Genau deshalb ist uns movevo4kids so wichtig.

Welche Meilensteine stehen als nächstes an?

Marion: Die Tägliche Bewegungseinheit ist ein großartiges Pilotprojekt. Wir werden alles daran setzen, um unseren Beitrag zu einem Projekterfolg und einer weiteren Ausrollung zu leisten. Aktuell kommen 130 Volksschulen österreichweit in den Genuss von täglichen Bewegungsimpulsen. In Österreich gibt es allerdings mehr als 3.000 Volksschulen. Es gibt also noch viel zu tun, und gemeinsam mit der Stiftung motion4kids arbeiten wir gerade an einem Konzept, um auch mit Unterstützung von privatwirtschaftlichen Unternehmen kostenlosen Zugang zu mehr Bewegung zu ermöglichen.

Klasse der Volksschule Gödersdorf

Welchen Ratschlag könnt ihr den diesjährigen Finalist*innen mitgeben?

Michael: Ein Unternehmen aufzubauen ist kein Sprint und auch kein Marathon. Es ist kein „finite game“ mit einer Ziellinie am Ende. Es ist ein „infinite game“, und das Ziel ist es, im Spiel zu bleiben. Um im Spiel zu bleiben, braucht es einen langen Atem, Konsequenz und Beharrlichkeit. Das klingt zunächst nicht romantisch und attraktiv, doch wenn du für eine Sache wirklich brennst, ist alles möglich.

Marion: Ganz egal, ob ihr den GASBA gewinnt oder nicht, ihr lernt für euer Leben. Ihr lernt tolle Menschen kennen, könnt euch ein super Netzwerk aufbauen und die Bekanntheit eures Projekts signifikant steigern. Wir wünschen allen Finalisten viel Erfolg auf ihrem weiteren Weg.

Michael Omann und Marion Kanalz, Foto credit Martin Hofmann

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