Coca‑Cola und Martin Luther King

02/04/2018

Er hatte einen Traum: Martin Luther King war das bekannteste Gesicht der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Vor 50 Jahren, am 4. April 1968 wurde er in Memphis, Tennessee ermordet. Ein Rückblick auf unsere gemeinsame Geschichte.

Als sie sich an die Bar setzt, scheint alles ganz selbstverständlich. Carol Parks bestellt eine Coke und bekommt diese prompt serviert. Doch als Freunde von Parks hinzukommen, weigert sich die Kellnerin, sie zu bedienen.

Das Problem? Sie haben dunkle Haut.

Die Kellnerin beugt sich zu Carol vor und raunt: „Sie sind nicht farbig, meine Liebe. Oder?“ – „Doch das bin ich.“

Wichita im US-Bundesstaat Kansas. Wir schreiben das Jahr 1958. Und es gilt das Gesetz der Rassentrennung. Der einzige Grund, warum Carol Parks eine Coke bekam: Die Kellnerin konnte ihre Hautfarbe nicht eindeutig zuordnen.

Der Dockum Drug Store ist damals ein beliebtes Mittagslokal. Carol ist 19 Jahre alt, ihr Cousin Ron 20. Beide erinnern sich noch heute daran, wie erniedrigt sie sich fühlten, dass es für Schwarze nur Pappteller und -becher gab, wenn sie überhaupt irgendwo bedient wurden. Deshalb sind Carol und Ron auch nicht zufällig hier.

In den nächsten Wochen kommen die freundlichen jungen Studenten jeden Tag und setzen sich an den Tresen und verlangen eine Coke. Die weißen Gäste bleiben fern. Bis der Besitzer seinen Leuten sagt: „Bedient sie endlich. Ich verliere zu viel Geld.“ Die Szene in Wichita geht als eines der ersten Sit-Ins in die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung ein.

Ein wesentlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens spielte sich damals an den Theken von Soda-Bars ab. Doch das galt lange Zeit nicht für alle Amerikaner: Für Schwarze war es in einigen Teilen des Landes nicht erlaubt, eine Coke zu bestellen oder einen Sitzplatz einzunehmen. Das lag keineswegs an der Politik der The Coca‑Cola Company, sondern an den Rassentrennungsgesetzen der USA, die zu dieser Zeit in den Südstaaten vorherrschten.

Soda-Bars gab es in den USA schon seit den 1800er-Jahren, ihre Blütezeit erlebten sie in den 1950er- und 60er-Jahren. Sie breiteten sich in dieser Zeit stetig aus, ähnlich den Drugstores, und wurden ein beliebter Bestandteil der Lunch Counters, der Imbissecken in Kaufhäusern, die ebenfalls Weißen vorbehalten waren.

So brachte Robert W. Woodruff die Gesellschaft von Atlanta zu Ehren von Martin Luther King zusammen:

Die erste Coca‑Cola wurde 1886 an einer Soda-Bar in einer Drogerie in Atlanta, Georgia verkauft. Erst 1928 wurde mit dem Verkauf von Coca‑Cola in Flaschen mehr Umsatz erzielt als an den Soda-Bars. In den schwarzen Communitys war Coca‑Cola an der Soda-Bar immer schon beliebt, und das Unternehmen zeigte bereits ab den 1950er-Jahren Afroamerikaner in seiner Werbung.

Ich habe noch immer gemischte Gefühle, wenn ich an die Soda-Bar-Erlebnisse von Martin Luther King oder Carol Parks denke. Oder an die meiner Eltern. Meine Großmutter arbeitete in einer Soda-Bar, in der sie selbst nicht bedient worden wäre.

Gern gesehene Gäste?

Am 1. Februar 1960 setzen sich vier Erstsemester-Studenten an die Soda-Bar des Woolworth’s in Greensboro, North Carolina. Dieses berühmte „Sit-in“ gilt heute als Initialzündung für viele weitere im ganzen Land.

Martin Luther King verbrachte seine erste Nacht im Gefängnis, nachdem er sich Studenten im Restaurant von Rich’s Department Store in Atlanta angeschlossen hatte. Das Kaufhaus selbst galt als progressiv: Schwarze Familien konnten hier genauso wie weiße Kunden auf Kredit einkaufen; das galt aber nicht für die Restaurants im Haus, dort herrschte strenge Rassentrennung. Martin Luther King fasste es einmal so zusammen – nachdem seine Familie 1959 in dem Kaufhaus 4.500 USD ausgegeben hatte: „Wir sind an allen Kassen gerne gesehen, nur nicht an denen der Restaurants.“

Warum konzentrierten sich Martin Luther King und die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Bürgerrechtsbewegung überhaupt auf Soda-Bars? Zuerst einmal, weil sie prominente Ziele darstellten. Es wurden hauptsächlich gut besuchte Soda-Bars ausgesucht. Der andere Faktor war ein wirtschaftlicher: So berichtete das Atlanta Journal, dass unmittelbar nachdem sich King und die anderen Studenten an den Tresen gesetzt hatten, „der Ausschank gestoppt wurde und die Lichter ausgingen.“

Dr. King sah in Sit-ins eine Methode, das Problem der Rassentrennung in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken und einen wichtigen Fortschritt zu erzielen: Der wirtschaftliche Faktor verschaffte der Angelegenheit mehr Aufmerksamkeit, weil er die Leute zwang, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und am Ende lief es genauso wie mit den Bus-Boykotten in Montgomery im Jahr 1955, nach denen der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten 1956 die Segregation in den Bussen Alabamas verbot: Die Sit-ins in den Soda-Bars erwiesen sich als Katalysatoren der Veränderung. Im Jahr 1961 wurde die Rassentrennung an den Lunch Counters in der Stadt Atlanta aufgehoben.

Dinner für Dr. King

Im Jahr 1964 erhielt Dr. King den Friedensnobelpreis. Anlässlich der Auszeichnung unterstützte der ehemalige Präsident der The Coca‑Cola Company, Robert W. Woodruff, ein Dinner zu seinen Ehren. Zunächst wollte keiner der einflussreichen Unternehmer der Stadt die Einladung annehmen, aber Woodruff gelang es, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Schließlich nahmen über 100 führende Geschäftsleute teil.

Noch im selben Jahr verabschiedete der Kongress den Civil Rights Act, der die Rassentrennung für illegal erklärte. Das Gesetz verbot generell eine Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder nationaler Herkunft.

Jamal Booker ist Global Public Affairs, Sustainability / ESG, Strategic Corporate and Brand Communications Leader bei The Coca‑Cola Company.